Seit vielen Jahren beobachte ich immer wieder Menschen, die mit ihrer beruflichen Situation unzufrieden sind oder eine tolle Idee haben und sich deswegen selbstständig machen wollen. Und wenn ich sie dann wieder sehe, dann hat sich irgendwie nichts verändert. Sie haben den Schritt oft auch nach Jahren noch nicht gewagt, obwohl sie wissen, dass es gut für sie wäre. In diesem Beitrag möchte ich all jenen Mut machen den Schritt zu wagen und ihnen ein paar Möglichkeiten aufzeigen, um ihr Prokrastinieren zu beenden. Außerdem möchte ich ein paar Tipps geben, wie Du den Start in Deine Selbstständigkeit auf möglichst sichere Beine stellst.

Was ist Prokrastination?

Für mich ist Prokrastination jegliches Verhalten, das nicht dem Ziel dient. Wenn Du also das Ziel hast, Dich selbstständig zu machen, dann sind die Überstunden im Büro auch Prokrastination, weil Du so nicht dazu kommst, Dich mit Deiner Selbstständigkeit zu beschäftigen. Meiner Meinung nach sind in dem Zusammenhang auch Dinge wie Logo, oder irgendwelche Weiterbildungen sehr häufig nur ein Aufschieben der wirklich wichtigen Dinge hin zur Selbstständigkeit. Welche das sind, dazu komme ich später noch.
Natürlich helfen Dir ein schönes Logo und die eine oder andere Weiterbildung bei Deiner Selbstständigkeit. Nur wenn sich die Logo-Entwicklung über Monate zieht und nur noch eine und noch eine Weiterbildung nötig ist, bevor man starten kann, dann ist das klares Prokrastinieren.

Warum prokrastinieren wir?

Es gibt viele Gründe, warum wir prokrastinieren. In diesem Zusammenhang prokrastinieren aber die Meisten aus Angst. Das müssen nicht unbedingt konkrete oder bewusste Ängste sein. Ganz weit verbreitet ist die Angst vor Neuem. Unser Gehirn ist darauf ausgerichtet, Neues zu meiden, schließlich hat das bisherige gut zum Überleben funktioniert. Alles Neue ist da ein Risiko. Das macht sich in vielen Bereichen des Lebens bemerkbar. Im Grunde steht die Angst vor Neuem den meisten Veränderungen im Weg.
Aber auch die konkrete Angst davor, dass es schief gehen könnte, hält uns oft davon ab, loszulegen. Und je nach Person kommen noch einige Ängste dazu.
Es gibt noch einen weiteren wichtigen Grund, warum wir prokrastinieren, unsere Glaubenssätze. Wenn wir glauben “Ich bin nicht gut genug.”, “Reiche sind Betrüger.”, “Ich habe es nicht verdient.” und so weiter, dann werden wir nicht starten. Der Glaubenssatz “Ich bin nicht gut genug.” (oder ähnliche) führt übrigens dazu, dass man immer noch ein und noch ein Seminar braucht, um anfangen zu können.
Wie gesagt gibt es noch viele weitere Gründe, aber diese beiden Gründe würde ich mir als Erstes genauer anschauen. Deswegen bekommst Du gleich eine Strategie an die Hand, mit der Du trotz Ängsten und einschränkenden Glaubenssätzen losgehst.

Wie Du trotzdem losgehst.

Der Einfachheit halber setze ich die Ängste und die Glaubenssätze mal gleich. Und tatsächlich habe ich schon einige Ängste meiner Kunden durch Glaubenssatzarbeit aufgelöst. Denn hinter einer konkreten Angst stecken ja auch entsprechende Glaubenssätze, was dann und dann passieren wird. Vielleicht lässt sich sogar die Angst vor Neuem damit angehen, das habe ich noch nicht ausprobiert.
Wenn unsere Gedanken uns und unsere Ängste steuern, dann ist es doch sinnvoll, auch dort anzusetzen. Leider hilft es nicht, einfach was anderes zu denken, denn das glauben wir uns selbst nicht. Es funktioniert nicht den Glaubenssatz “Ich bin nicht gut genug.”, mit dem Gedanken “Ich bin gut genug.” zu überschreiben. Auch die Technik der Affirmation, also sich jeden Tag immer wieder zu sagen “Ich bin gut genug.” funktioniert meiner Erfahrung nach nicht. Unser Unbewusstes glaubt uns das nicht. Wir müssen es uns und unserem Unterbewusstsein also beweisen.
Ein kleiner Hinweis dazu: In der Glaubenssatzarbeit mit meinen Kunden stelle ich immer wieder fest, dass auch Beweise nicht reichen, um tief sitzende Glaubenssätze wirklich aufzulösen. Aber es reicht, um loszugehen und darum geht es ja erstmal. Später sollte man die Glaubenssätze dann trotzdem noch auflösen, denn sie behindern einen ständig.

Dem Unbewussten und sich selbst beweisen, dass es funktioniert.

Nur wie beweise ich mir und meinem Unbewussten, dass die Ängste und Glaubenssätze nicht berechtigt sind? Dazu muss ich ja losgehen und genau das mache ich ja nicht. Da beißt sich die Katze doch in den Schwanz.
Ich nutze dafür das Lean Konzept, beziehungsweise das Konzept des Minimal Viable Products (MVP). Das Konzept kommt eigentlich aus der Softwareentwicklung, aber ich wende das fast in jedem Bereich meines Lebens an. Im Endeffekt geht es darum nicht sofort alles auf eine Karte zu setzen, sondern vor größeren Schritten erstmal zu testen, ob der Boden überhaupt hält. Das mache ich nicht nur im geschäftlichen Bereich, sondern auch privat.
Seit knapp über einem Jahr mache ich jetzt Triathlon. Ich möchte irgendwann mal einen Ironman schaffen. Als ich damit angefangen habe, habe ich mir nicht sofort eine teure Ausrüstung gekauft. Ich habe erstmal mehrere Monate mit meinem alten Zeug trainiert, um zu überprüfen, ob es mir wirklich so viel Spaß macht wie in der Theorie. Als sich das bestätigt hat, habe ich nach und nach angefangen, in meine Ausrüstung zu investieren. Viele machen es umgekehrt. Sie kaufen erst die Ausrüstung und stellen dann fest, dass es doch nichts für sie ist.
Was bei Sportausrüstung zwar Geld kostet, aber nicht wirklich schlimm ist, sieht beim Start in die Selbstständigkeit schon ganz anders aus. Der Start in die Selbstständigkeit ist doch mit dem einen oder anderen Risiko verbunden:

  • Man verliert seinen Job und so sein sicheres Einkommen. Ok, je nach Branche bekommt man schnell einen Neuen, aber wer weiß, was man dann zum Beispiel für einen Chef hat.
  • Man tätigt Investitionen und nimmt dafür vielleicht sogar einen Kredit auf und steht dann hoch verschuldet da.
  • Man investiert viel Zeit und Energie, die dann vielleicht an anderen Stellen fehlt. Man hat nicht mehr die Zeit für seine Familie, seinen Sport, seine Freunde. Und gerade die Zeit mit den Kindern bekommt man nicht zurück. Aber auch Beziehungen können darunter sehr leiden.

Falls Du Dich gerade mit dem Gedanken trägst Dich selbstständig zu machen, dann kennst Du diese und weitere Risiken bestimmt. Nur wie kannst Du jetzt damit umgehen?

Mit dem MVP gegen Prokrastination

MVP spricht sich übrigens Em Wie Pi. Und für mich fühlt sich das wie ein fetter Geländewagen an, mit dem wir jetzt die Prokrastination platt machen.
Gegen Prokrastination gibt es eine Strategie, die dem Konzept des MVP sehr nahe kommt. Beides kombinieren wir jetzt miteinander. Basis der Strategie ist es, den zu gehenden Schritt so klein zu machen, dass man ihn halbwegs einfach gehen kann. Also wenn die Selbstständigkeit der große Schritt ist, dann vielleicht als kleinen Schritt die Selbstständigkeit ins Handelsregister eintragen lassen. Dadurch passiert noch nichts, aber man ist einen Schritt vorwärtsgekommen. Oder ein Geschäftskonto einrichten. Ok, das kostet meistens ein paar Euro, aber ich denke noch alles in einem moderaten Rahmen.
Für den Start in die Selbstständigkeit empfehle ich allerdings andere erste Schritte, und jetzt kommt das MVP ins Spiel. Falls Du nicht so gut Englisch kannst und es auch noch nicht übersetzt hast, was heißt eigentlich minimal viable product? Minimal ist klar, oder? Product auch, oder? Viable hat mehrere Übersetzungen: lebensfähig, rentabel, realisierbar, durchführbar, brauchbar, arbeitsfähig. Es geht also um ein Produkt, welches die Mindestanforderungen erfüllt, um rentabel machbar zu sein.
In der Softwareentwicklung erstellt man also nicht gleich ein komplettes Programm mit allen Funktionen, sondern eine minimale Version mit den wichtigsten Funktionen. Diese Minimalversion verkauft man. Dadurch erhält man zwei sehr wichtige Antworten:

  1. Gibt es überhaupt Kunden, die bereit sind für so ein Programm Geld zu bezahlen.
  2. Welche Funktionen brauchen die zahlenden Kunden wirklich.

Einerseits wird also das Geschäftsmodell an sich überprüft, ohne zu sehr in Vorleistung zu gehen, und andererseits wird überprüft, ob man die Bedürfnisse der Kunden wirklich kennt. Bei beidem helfen Umfragen nur bedingt weiter, denn wir verhalten uns anders, wenn wir erstmal unser Geld in die Hand nehmen müssen. Solange das nicht nötig ist, lassen wir uns für fast alles Begeistern.
Vermutlich ist Dir jetzt schon klar, worauf es mit dem ersten Schritt in Deine Selbstständigkeit hinausläuft. Und das Schöne ist, dass wir damit gleich noch mehr Dinge testen können. Ziel ist es, das Business Modell, welches Du Dir hoffentlich überlegt hast, zu testen, bevor Du große Risiken eingehst. Und am besten gelingt Dir das mit den ersten Kunden.

Teste Dein Business Modell.

Viele meiner Kunden stellen sich den Start in die Selbstständigkeit sehr einfach vor. Eine Webseite, ein bisschen Facebook Werbung und schon hört das Telefon nicht mehr auf zu klingeln. Tatsächlich kenne ich Menschen, bei denen es so einfach war, aber bei den Meisten ist es das leider nicht.
Falls es bei Dir auch so einfach war, nimm bitte mit mir Kontakt auf. Ich versuche herauszufinden warum, um es für andere auch einfacher zu machen.
Ich würde aber nicht davon ausgehen, dass es direkt so einfach ist. Falls Du dann trotzdem zu den Glücklichen gehörst, dann umso besser.

Nur wie kannst Du jetzt Dein Business Modell testen?

Das hängt natürlich stark von Deinem Business Modell ab. Grundsätzlich geht es beim Testen darum, zu überprüfen, ob es Käufer für Dein Angebot gibt, bevor Du zu viel investierst. Hier mal ein paar Beispiele, vielleicht gibt Dir das ein paar Ideen:

  • Neues Produkt entwickeln.
    Für ein neues Produkt bietet sich Crowdfunding an. Mit Crowdfunding kannst Du Dein Produkt verkaufen, bevor es fertig ist. Es reicht teilweise die Idee oder ein Prototyp und eine Crowdfunding Kampagne. Liefern musst Du nur, wenn ein bestimmter Betrag zusammengekommen ist. Damit wirst Du zwar vermutlich noch nichts verdienen, aber Du weißt, dass eine entsprechende Nachfrage vorhanden ist, und kannst das Geld nutzen, um die Entwicklung abzuschließen, und musst nicht selbst investieren.
  • Bestehendes Produkt vermarkten.
    Falls Du zum Beispiel ein Produkt in Deutschland vermarkten möchtest, welches es hier noch nicht gibt, oder nicht in der Form, dann kannst Du zum Beispiel Bestellungen einsammeln, bevor Du selber bestellst. Vielleicht lässt Du Dir das Produkt auch per Luftpost schicken, um es schneller ausliefern zu können. Erst wenn Du merkst, dass Du genügend Bestellungen bekommst, bestellst Du größere Mengen, die dann vielleicht auf dem Seeweg geliefert werden.
  • Dienstleistung
    Die meisten Dienstleistungen kannst Du schon anbieten, bevor Du deswegen kündigst. Achte darauf, dass Deine Kunden nicht nur Freunde, Bekannte und Verwandte sind. Teste, ob Du auch Fremde für Deine Dienstleistung gewinnen kannst, und zwar zu einem vernünftigen Preis. Am besten testest Du auch schon Dein Marketing System. Wenn Du konsistent Kunden bekommst, kannst Du die nächsten Schritte gehen.
  • Online Kurse
    Bevor Du viel Zeit und Geld in die Erstellung Deines Online Kurses steckst, kannst Du ihn schon verkaufen. Vielleicht bietest Du ihn mit einem Early Bird Rabatt an, dafür müssen die Kunden bis zur Lieferung noch ein paar Wochen oder Monate warten. Du kannst den Kurs auch Crowdfunden.
  • App
    Aus der App-Entwicklung kommt das Konzept des Lean Development. Da findest Du haufenweise Literatur zu. Wie es funktioniert habe ich oben schon beschrieben. Du entwickelst die App nicht vollständig, sondern erstmal nur die wichtigste Funktion. Das Ergebnis verkaufst Du und beobachtest, wie Deine Kunden die Funktion nutzen, denn oft wird sie anders genutzt, als Du es Dir gedacht hast, was Dich wieder auf neue Ideen bringen kann. Mit jeder neuen Funktion testest Du, ob Du dadurch mehr Kunden bekommst, die die App häufiger nutzen und weiterempfehlen.

Die vorgestellten Ideen lassen sich teilweise auch miteinander kombinieren. Falls Du Ideen für Dich brauchst, dann schreibe einfach in die Kommentare oder schick mir eine Nachricht.

Richtig starten und Prokrastination vermeiden.

Wenn Du Deine Idee erfolgreich getestet hast, bist Du bereit zu starten. Um auch dort Prokrastination zu vermeiden solltest Du Dir ganz klare Strukturen überlegen und von Anfang an umsetzen. In der angestellten Tätigkeit sind diese Strukturen von außen vorgegeben. Wenn Du Dich selbstständig machst, musst Du für diese Strukturen sorgen. Rein theoretisch kannst Du arbeiten wann und wie Du willst. Trotzdem würde ich Dir empfehlen Dir ganz klare Arbeitszeiten zu setzen und diese auch einzuhalten. Auch ist es hilfreich sich nicht im Schlafanzug an die Arbeit zu machen, sondern sich genauso umzuziehen, wie in der angestellten Tätigkeit.
Zu dem Thema gibt es noch einiges mehr zu sagen. Deswegen wird es dazu einen eigenen Artikel geben. Falls Du diesen und weitere Beiträge zu Themen rund um Prokrastination, Willenskraft, Selbstdisziplin, Durchhalten, Produktivität und High Performance bekommen möchtest, dann melde Dich einfach zum Newsletter an:

Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade „Chance der Veränderung„.